Datenmissbrauch gestern und heute

Shownotes

Die Macht von Daten wird oft erst dann sichtbar, wenn sie missbraucht wird. In Episode 125 des c't-Datenschutz-Podcasts werfen Holger, Joerg und der Datenschutzbeauftragte Markus Sailer einen Blick zurück auf historische Beispiele, in denen Staaten ihre Datensammlungen zur gezielten Verfolgung von Bevölkerungsgruppen genutzt haben.

Ein besonders bekanntes Beispiel ist die Volkszählung von 1939 im nationalsozialistischen Deutschland. Mit Hilfe von Lochkarten und Hollerith-Tabelliermaschinen erfassten die Nazis damals die Religionszugehörigkeit der Bürger. In Ergänzungskarten wurden "Mischlinge" "Volljuden", "Geltungsjuden" und "Glaubensjuden" gemäß der Nürnberger Rassengesetze von 1935 systematisch erfasst. Die Daten bildeten später die Grundlage für die Deportation von Juden in Konzentrationslager. In anderen Staaten wie den Niederlanden fielen solche Datensammlungen den deutschen Besatzern in die Hände und wurden für Verfolgungsmaßnahmen missbraucht.

Ein weiteres Beispiel ist die systematische Erfassung von Homosexuellen durch die Gestapo ab 1934. Auf Basis von polizeilichen "Rosa Listen" wurden zehntausende Männer in Karteien erfasst, überwacht und verfolgt. Insgesamt 50.000 Verurteilungen erfolgten nach dem berüchtigten Paragraphen 175, der in der Bundesrepublik erst 1994 endgültig abgeschafft wurde.

Die Gesprächspartner sind sich einig: Auch wenn sich die Methoden geändert haben, besteht die Gefahr des Datenmissbrauchs durch staatliche Stellen weiterhin. Rasterfahndung, die wieder in Deutschland diskutierte Vorratsdatenspeicherung oder der "Cloud Act" in den USA sind aktuelle Beispiele für weitreichende Zugriffsbefugnisse. Zwar setzt die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hier wichtige Grenzen. Doch die Diskutanten bezweifeln, ob sie ausreicht, um die Demokratie langfristig zu schützen.

Ihr Wunsch an die Politik ist daher ein stärkeres Bewusstsein für die Missbrauchsgefahren von Datensammlungen. Statt Datenschutz vor allem als Hindernis zu sehen, sollte er auch als Schutzschild der freiheitlichen Gesellschaft begriffen werden. Denn historische Erfahrungen mahnen zur Wachsamkeit - in Zeiten von Big Data und Künstlicher Intelligenz mehr denn je.

Kommentare (3)

Holger Bleich (Host)

Hallo Anne, mein Kommentar ist leider hinter der Paywall, interessanterweise konnte ich eine (unautorisierte) Übernahme via Google finden;-) https://www.klattenberg.de/nichts-zu-verbergen/ Mein Recherchematerial von damals müsste ich heraussuchen, das schaffe ich gerade zeitlich nicht. Aber vielleicht als Einstieg interessant, gerade selbst gegoogelt: Infos zum Bevolkingsregister: https://www.amsterdam.nl/stadsarchief/stukken/amsterdammers/bevolkingsregister/ Infos zur erweiterten Erfassung von Juden ab 1941 durch die Nazis: https://www.annefrank.org/de/timeline/147/juden-mussen-sich-registrieren-lassen/ Infos zur Nutzung der vorhandenen Meldedaten durch die Nazis: https://digital.kenyon.edu/bulmash_netherlands/ Viele Grüße Holger

Anne O'nimous

Die Sache mit dem Niederländischen Register und dem "ct-Kommentar" (leider nicht im obigen Text erwähnt), kann ich im Internet nirgends finden, auch nicht auf Wikipedia. Könntet ihr meinem Google-Fu etwas auf die Sprünge helfen, und mindestens den Kommentar verlinken?

Mark Klamm

Danke für die Episode. Aber wie soll "Datenschutz" gehen wenn sogar Apotheken und Arztpraxen überall Windows oder Apple Computer herumstehen haben?

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